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Der 1961 in Deutschland eingeführte Mutterpass dient der Dokumentation von Ergebnissen der Vorsorgeuntersuchungen, die während der Schwangerschaft und nach der Entbindung durchgeführt werden. Damit sollen die für die ärztliche Betreuung der Schwangeren relevanten Informationen festgehalten und verfügbar sein.

Gesetzliche Grundlage

Die gesetzliche Grundlage für den Mutterpass stellen in Deutschland die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung („Mutterschafts-Richtlinien“) dar. „Durch die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung sollen mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter oder Kind abgewendet sowie Gesundheitsstörungen rechtzeitig erkannt und der Behandlung zugeführt werden. Die ärztliche Beratung der Versicherten umfasst bei Bedarf auch Hinweise auf regionale Unterstützungsangebote für Eltern und Kind (z.B. „Frühe Hilfen“). Vorrangiges Ziel der ärztlichen Schwangerenvorsorge ist die frühzeitige Erkennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten.“, so sehen es die aktuell gültigen Mutterschafts-Richtlinien vor.

In Deutschland erhält eine werdende Mutter ab offizieller Feststellung einer Schwangerschaft den Mutterpass entweder von der für sie ärztlich zuständigen Person (in einer ärztlichen Praxis, in einem MVZ oder im Krankenhaus) oder von der betreuenden Hebamme (geburtshelfenden Person). Der Mutterpass liegt als Anlage 3 der Mutterschafts-Richtlinien bisher in Papierform vor (https://www.g-ba.de/downloads/83-691-386/Mu-RL_Anl3_Mutterpass_2015-11-10.pdf). Eine englische Version wurde ebenfalls veröffentlicht: https://www.g-ba.de/downloads/17-98-4071/2016-02-16_Mutterpass_englisch_WEB_WZ.pdf. Änderungen der Inhalte des Mutterpasses setzen einen formalen Beschluss des G-BA-Plenums voraus.

Anwendung und Struktur des Mutterpasses

In dem Mutterpass dokumentieren die behandelnden und geburtshelfenden Personen den Verlauf der Schwangerschaft und mögliche Risiken in der Regel handschriftlich oder die Dokumentation erfolgt über das Einkleben, Einlegen oder Einheften von Ausdrucken, Bildern etc. Welche Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt und welche Ergebnisse im Mutterpass einzutragen sind ist in den Mutterschafts-Richtlinien festgehalten. Die Vorsorgeuntersuchungen sollen laut Mutterschafts-Richtlinie bis zur 32. Schwangerschaftswoche im Abstand von vier Wochen und danach im Rhythmus von zwei Wochen durchführt werden. Es können bis zu zwei Schwangerschaften in einem Mutterpass festgehalten werden. Damit alle wichtigen Informationen für die Geburt oder in medizinischen Notfällen vorliegen, sollten Schwangere ihren Mutterpass immer bei sich haben. Er sollte auch nach der Geburt aufbewahrt werden, da die Angaben für weitere Schwangerschaften relevant sein können.

Der aktuell gültige Mutterpass (Stand November 2015) enthält folgende Abschnitte:

  • Laboruntersuchungen und Rötelnschutz
  • Vorangegangene Schwangerschaften
  • Beratung der Schwangeren
  • Anamnese und allgemeine Befunde
  • Besondere Befunde
  • Terminbestimmung
  • Gravidogramm
  • Stationäre Behandlungen
  • Cardiotokographische Befunde
  • Ultraschalluntersuchungen
  • Abschlussuntersuchung/Epikrise


Elektronischer Mutterpass

Ein digital geführter Mutterpass bietet Vorteile gegenüber der Papierform.

  • Bei Verlust des Mutterpasses muss dieser z.B. bei der gynäkologischen Praxis neu ausgestellt und alle Daten, die bis dahin dokumentiert wurden, erneut eingetragen werden. Mit der Umstellung des Mutterpasses auf eine elektronische Erfassung könnten die Daten z. B. zentral in einer Patientenakte gespeichert werden, so dass sie jederzeit verfügbar, einfach und schnell zu der jeweiligen Vorsorgeuntersuchung vorgelegt und ergänzt werden könnten. Der Verlust der Daten würde damit erschwert sowie ein Austausch der Daten über Institutionsgrenzen hinweg erleichtert werden. Des Weiteren wäre auf Basis der Daten z. B. ein Erinnerungsmanagement an bevorstehende Untersuchungen oder das Erstellen von Hinweisen zu medizinischen Befunden und Maßnahmen bei entsprechenden Risikokonstellationen möglich. Eine Herausforderung durch die Digitalisierung stellt dabei die Dokumentation und Einsicht von Personen in den Mutterpass dar, die bisher keinen Zugriff auf die Telematikinfrastruktur und damit die elektronische Patientenakte haben, wie z. B. Geburtshelfende.

Bestehende Arbeiten und Vorgaben zum elektronischen Mutterpass

Die Dokumentation des Schwangerschaftsverlaufes erfolgt national wie auch international in der Regel in einer papierbasierten Form. In vielen Ländern gibt es Projekte und einzelne digitale Lösungen, jedoch bisher keine flächendeckende Implementierung einer digitalen Dokumentation des Schwangerschaftsverlaufes. Einen Überblick hierzu ist aus der Übersichtsarbeit aus dem Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment in Wien zu entnehmen. [B. Piso et al. Elektronischer Mutter(Eltern)-Kind Pass - Möglichkeiten, Zielsetzungen und internationale Erfahrungen. Gesundheitswesen 2014; 76(04): 210-218: https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0033-1347220] Im Folgenden werden exemplarisch und nicht abschließend einige Arbeiten und Vorgaben im In- und Ausland beschrieben.

Arbeiten in Deutschland

In Deutschland gibt es bereits einige Ansätze eines digitalen Mutterpasses bzw. einer elektronischen Dokumentation des Schwangerschaftsverlaufes. Beispielhaft werden hier folgende Arbeiten genannt:

Arbeiten und Vorgaben im europäischen Ausland

Österreich
In Österreich gibt es den sogenannten Mutter-Kind-Pass, in dem neben den Vorsorgeuntersuchungen zur Schwangerschaft auch die Kindervorsorgeuntersuchungen eingetragen werden. Perspektivisch ist ein elektronischer Mutterpass im Rahmen der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) geplant. Im öffentlichen Gesundheitsportal Österreich wird ein Überblick über die Untersuchungen für Schwangere gegeben:
https://www.gesundheit.gv.at/leben/eltern/mutter-kind-pass/untersuchungen-schwangerschaft


Schweiz
In der Schweiz gibt es keinen einheitlichen, verpflichtenden Mutterpass, jedoch stellen viele Personen im ärztlichen Dienst bzw. Geburtshelfende eine Art informellen Mutterpass aus. Dies kann z. B. ein Ausdruck der Schwangerschaftsdaten aus dem Krankenhaus- bzw. Praxisverwaltungssystem sein oder zunehmend eine digitale Lösung wie eine Kreditkarte mit Chip, auf der Daten gespeichert sind, oder aber ein elektronischer Mutterpass (in der Regel in Form einer PDF-Datei) auf einem USB-Stick:

https://saez.ch/de/resource/jf/journal/file/view/article/saez/de/saez.2007.12895/64407bcee9151528dad38e24be37366538d59185/saez_2007_12895.pdf/

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28508803


England
Die bisher papierbasierte Erfassung in Form der Pregnancy Notes (http://www.preg.info/PregnancyNotes/ PDF/18_2_viewthepages.pdf) soll in England durch eine digitale „maternity record“ abgelöst werden. Es gibt bereits ein sogenanntes „Maternity Services Data Set“, das alle Daten, die in Zusammenhang mit der Behandlung einer Schwangeren erhoben werden sollen, definiert (https://digital.nhs.uk/data-and-information/data-collections-and-data-sets/data-sets/maternity-services-data-set).
Im Rahmen des Digital Maternity Programme des NHS Digital wird zurzeit an der Entwicklung einer hinsichtlich Syntax und Semantik standardisierten Mutterschafts-Akte gearbeitet, die auf SNOMED CT® und FHIR basieren wird:

https://digital.nhs.uk/services/digital-maternity-programme

https://theprsb.org/standards/maternityrecord/

https://nhsconnect.github.io/FHIR-Maternity-Record/index.html


Des Weiteren gibt es für Schwangere bereits Apps bzw. Portallösungen für den Zugang zu ihren schwanger-schaftsrelevanten Daten bzw. digitale Aktenlösungen:

https://www.digitalhealth.net/2019/01/maternity-app-electronic-records/ bzw. https://www.pregnotes.net/

https://www.k2ms.com/athena/


Quelle: https://www.k2ms.com/athena/



Frankreich

In Frankreich gibt es das „Carnet de santé maternité“, welches Erläuterungen und Ratschläge für die Schwangere sowie Platz für Eintragungen durch medizinisches Fachpersonal enthält.

https://solidarites-sante.gouv.fr/IMG/pdf/carnet_de_maternite__bd_2016v02.pdf

Arbeiten und Vorgaben im nicht europäischen Ausland

Australien

In Australien gibt es bisher keinen einheitlichen Mutterpass, aber auf Ebene der einzelnen Bundesstaten bzw. Territorien Vorgaben zur Dokumentation des Schwangerschaftsverlaufes in elektronischer Form oder in Papierform. Im Bundesstaat Victoria z. B. gibt es die „Victorian Maternity Record” in Papierform: https://www2.health.vic.gov.au/hospitals-and-health-services/patient-care/perinatal-reproductive/maternity-newborn-services/vic-maternity-record

Daneben gibt es ein Projekt zur Entwicklung einer übergeordneten „Digital Pregnancy Health Record”:

https://www.childrenscollaborative.gov.au/digital-pregnancy-record

https://www.childrens.health.qld.gov.au/chq/about-us/digitalfuture/integrated-care-digital-program/digital-pregnancy-health-record/


Südafrika

In Südafrika empfehlen die „Guidelines for maternity care“ zwar die einheitliche Dokumentation des Schwangerschaftsverlaufes, bisher gibt es jedoch keinen gültigen Datensatz bzw. kein entsprechendes Dokument. Es gibt jedoch diverse Studien bzw. Entwicklungsarbeiten für eine digitale Lösung:  

http://www.health.gov.za/tender/docs/tenders/2018-19/NDOH_07_2018-2019_Maternal-Care-Guidelines-2015_FINAL-21.7.15.pdf

https://www.researchgate.net/publication/275671750_Assessment_of_the_use_of_the_new_maternity_case_record_in_improving_the_quality_of_ante_natal_care_in_eThekwini_District_KwaZulu-Natal

https://www.gsma.com/mobilefordevelopment/wp-content/uploads/2014/10/mobile-maternal-health-framework.pdf


USA

In den USA gibt es keinen Mutterpass oder Vorgaben zur einheitlichen Dokumentation des Schwanger-schaftsverlaufes. Die Betreuung der Schwangeren erfolgt in der Regel in sogenannten „Birth Centers“:

https://cdn.ymaws.com/www.birthcenters.org/resource/collection/028792A7-808D-4BC7-9A0F-FB038B434B91/Birth_Center_in_the_United_States.pdf

Fazit

Es gibt keine internationalen Standards zur Dokumentation des Schwangerschaftsverlaufes, aber eine Vielzahl unterschiedlicher, nationaler Dokumente in Papierform oder auch bereits digitaler Dokumentations-lösungen.

Am weitesten fortgeschritten mit der Umsetzung scheint England zu sein, das FHIR und SNOMED CT® zur Standardisierung verwendet. Eine Übertragung der Ergebnisse aus dem Ausland auf die Entwicklung eines digitalen Mutterpasses in Deutschland ist aufgrund der unterschiedlichen medizinischen Inhalte der Dokumentationsvorgaben jedoch leider nicht möglich.


Stand: Dezember 2019